Tolle Überschrift. Was hat sich Simon denn da wieder ausgedacht, denkt der geneigte Leser. Kurz und gut: Das ist wohl die passendste Zusammenfassung meines Urlaubs in Israel.
Warum Israel?
Alles nahm seinen Anfang, als Scott mir mitteilte, er fliege während dem schriftlichen Abitur unserer Schülerinnen und Schüler für ein paar Tage nach Israel, da er günstige Flüge gefunden hatte. Er würde sich freuen, wenn ich auch mitkäme. Also gesagt, getan, ran an das Notebook und nach Flügen geschaut. Tatsächlich, ein richtiges Schnäppchen, allerdings nur noch an anderen Tagen als Scotts, aber mit Überschneidung. Alles klar, gebucht.
Ein weiterer Grund, warum ich in den Nahen Osten wollte, weil mein Cousin einen Freiwilligendienst nahe Tel Aviv ableistet. Dementsprechend eine super Möglichkeit ihn zu besuchen.
Auf geht’s
Ich weiß nicht, wie das bei euch ist. Aber immer, wenn ich auf Reisen gehe, verspüre ich eine wunderbare Neugier, Energie. Da macht für mich das Leben richtig Spaß. So – und sogar noch mehr als sonst, da es auf einen noch nie besuchten Kontinent ging – fühlte ich mich auch am Montag, den 6.05.13 am Mittag, als die Reise begann. Alles für die fünf Tage musste in einen normalen Eastpack-Rucksack passen, ich wollte nicht extra für ein Gepäckstück zahlen.
Man muss in Budapest schon viel rum, um zum Flughafen zu kommen. Dies war mein allererster Flug vom BUD, bisher begnügte ich mich immer damit von Wien zu fliegen und/oder den Railjet zu nehmen. Kaum am Airport angekommen, fing es draußen schon an zu regnen. Puh, Glück gehabt, dachte ich. Auf in wärmere Gefilde!
Allein, allein
Obwohl es schon nach acht in Tel Aviv war, spürte man den Temperaturunterschied deutlich. Müde vom Flug, fiel es mir schwer mich zu konzentrieren. Ich musste irgendwie zum Hostel kommen. Und dann diese hebräische Schrift, davon versteht man ja rein gar nichts. Also erstmal Scott angerufen. Der versuchte mir die Zugstation zum Aussteigen zu übermitteln. Dann auf einmal – nichts mehr. Mein deutsches Handy war ausgegangen. Ladekabel in Deutschland. Also ungarisches Handy rausgeholt. Damit hatte ich Scott, seit er in Israel war, noch nie erreicht. Diesmal wieder nicht.
Ich verfiel ein wenig in Panik. Allein in einem fremden Land mit merkwürdiger Schrift auf einem Flughafen. Keine funktionierenden Telefone. Toll. Naja, ich redete mir ein es nicht zu übertreiben. Ich als pflichtbewusster Deutscher hatte mir doch Notizen gemacht. Manchmal wurden die Züge auch auf Englisch angezeigt. Der Name einer Zug-Endstation auf der Anzeige klang wie ein notierter. Also den gebucht, für 54 Schekel (mehr als 10 Euro). An der Haltestelle jemanden gefragt, er wollte mir zeigen, wann ich aussteigen muss. Ich kam mit dem Israeli ein bisschen ins Gespräch.; es kam heraus, dass ich gar nicht bis zur Endhaltestelle fahren muss und dass er ein großer Deutschland-Fan und -Reisender ist. Sympatischer Kerl. Nur blöd, dass er dann telefonierte und mich rauszuschicken vergaß. Der nächste Halt war die Universität. Das sei auch nicht viel weiter, meinte er.
Mit einem Taxi von der Uni zum Hostel. Wieder viel Geld los, aber ich hatte es endlich geschafft. Das erste, was ich zu Scott sagen konnte, war: „I’m so happy to see you!“ Erstmal Aufatmen. Eine Art selbst zusammenstellbarer Döner bildete unser Abendessen, das ich bitter nötig hatte. Eine nächtliche Tour durch Jaffo, den älteren Teil Tel Avivs. Was ich sah, lies mich nur noch staunen. Kleine Gässchen, wunderschön beleuchtete Strände und die weitläufige Küste der 400.000-Einwohner-Stadt. Sogar Tiere ließen sich blicken, wie z.B. eine Fledermaus.
Was für ein Anfang.
Die Stadt der Gotteshäuser
Den nächsten Tag, Dienstag, begannen wir voller Tatendrang. Mit dem Bus sollte die Reise nach Jerusalem gehen, in die Stadt der Religionen. Scott und ich nahmen den richtigen Bus, der ungefähr eine Stunde fuhr, obwohl die junge Frau am Schalter uns eine falsche Information diesbezüglich mitteilte.
Die Landschaft änderte sich schnell. Vom grünen Tel Aviv war schnell nicht mehr viel zu sehen. Die Umgebung wandelte sich in eine Art weiße Wüste um. Nützliche Infos über die Hauptstadt Jerusalem konnten gut mithilfe des WLANs im Bus recherchiert werden. Schon eine tolle Sache, dass es Internet in öffentlichen Verkehrsmitteln sowohl in Israel als auch in Ungarn gibt; in der deutschen Heimat habe ich vergeblich danach gesucht.
Auf in die historische Altstadt der 800.000-Metropole. Es war günstig an einem Dienstag zu kommen, die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten waren nicht ganz so überfüllt. Zuerst wurde die berühmte Grabeskirche inspiziert – wobei das Wort „Kirche“ vielleicht eher unpassend ist, es ist eher eine wenig heilige Touristenattraktion. Gerade vor der Ädikula, dem überlieferten Ort des Grabes Jesu, ist eine sehr lange Schlange. Trotzdem war es für mich irgendwie etwas Besonderes in der Grabeskirche zu sein, vielleicht, weil ich schon so viel von ihr gehört hatte, vielleicht aus einem anderen Grund.
Als Nächstes folgte eine Wanderung auf der Stadtmauer der Altstadt. Der nette Kassierer gab uns Kleinkinderrabatt. Wir konnten einiges sehen, zum einen den schönen Ausblick auf die Altstadt und einen riesigen Friedhof außerhalb, zum anderen aber auch etwas Unschönes: Ein Weg, der nicht für Touristen bestimmt ist, war (warum auch immer) nicht versperrt. Dort war zu sehen, dass in einem Teil der Mauer wohl Obdachlose leben/lebten.
Da der Felsendom an diesem Tag nur für Muslime zu betreten war und Scott und ich nach dem äußeren Erscheinungsbild nicht wie solche aussahen (welch Diskriminierung!), widmeten wir uns nur der Klagemauer. Man sieht im gesamten Jerusalem viele (ultra)orthodoxe Juden, das sollte schon erwähnt werden. Das ist sicherlich interessant (zugegebenermaßen habe ich den ersten, den ich sah, wie eine Touristenattraktion fotografiert). Auf der anderen Seite muss man sich überlegen, was die Omnipräsenz von extrem jungen und älteren Männern mit Kippa, Hut und schwarzem (sicherlich unerträglich heißem) Aufzug bedeutet: Menschen haben keine Wahl und Freiheit, sich ihre Religion selbst zu wählen, sondern werden als Juden geboren und sterben als Juden (ersetzbar durch jede andere Religion). Da gibt es kaum eine andere Möglichkeit.
Am Abend aßen wir noch in einem Restaurant in der Altstadt einen traditionell israelischen Mix aus Fleisch mit Salat – finom (ungarisch für lecker). Nicht nur an die Währung mussten wir uns gewöhnen (1€=5 Schekel), sondern auch an viel höhere Preise beim Essen gehen als in Ungarn. Später trafen wir uns mit meinem Cousin Benjamin. Das war wirklich cool – ich meine: Er macht seinen Freiwilligendienst in einer israelischen Stadt und ich in einer ungarischen Kleinstadt – und wir treffen uns in Jerusalem. Eine Kneipe fand sich spontan leider nicht, dennoch konnte ich in den Genuss eines typisch israelischen Biers kommen.
Noch einmal Tel Aviv
Die Anstrengungen vom Dienstag wollten wir logischerweise ausgleichen. Gibt es da eine bessere Möglichkeit, als am Tel Aviver Strand sich zu entspannen und eine Zehenspitze ins Mittelmeer zu wagen? Es war für meinen amerikanischen Freund übrigens das erste Bad in diesem Meer am Mittwoch. Es kam eine Art italienisches Flair auf, das ich sehr genoss. Während Scott sich für den Rückflug bereit machte und sich schließlich verabschiedete, schrieb ich Postkarten und kaufte mir ein schweineteures Eis – aber das war es mir allemal wert!
Eine gewisse Aufregung verbreitete sich wieder in mir – allein in einem fremden Land. Lange hielt ich es am Strand nicht mehr aus, ich musste einfach auf Entdeckungstour in Tel Aviv gehen! Beim Spazieren nahm ich die Häuser genauer unter die Lupe. Manche sehr schön mit Palmen in den Gärten hergerichtet, andere weniger hergerichtete Massenblocks, außerdem unbefestigte Straßen, in die ich nachts lieber keinen Schritt machen würde.
Schon bald fand sich ein interessanter Brunnen und Einkaufszentrum nach westeuropäischer Manier. Außer den Sicherheitskontrollen, die in Verbindung mit militärischen Stützpunken zum Alltag im jüdischen Staat gehören, hätte man dieses Einkaufsparadies überall auf der Welt antreffen können. Ich fühlte mich in der Konsumwelt gleich wohl – ganz schön gewieft, wie ich mich durch die Werbung von McD. und Co. beeinflussen lasse… Trotzdem war überraschend für mich, die Logos der Großkonzerne auf Hebräisch zu sehen (s. Bilder).
Abends schlenderte ich den gesamten (!) Strand von Tel Aviv vom Zentrum bis zum Hafen im Norden entlang. Was ich vorfand, war eine wahrhaft lebhafte Atmosphäre, hier ein Soul-Konzert, da ein französisches Restaurant. Mein Cousin hatte Recht, als er sagte, dass durch die Medien ein Bild von Israel gezeichnet wird, das nur von terroristischen Anschlägen und Kriegen geprägt ist. Wie hoch die wahre Bedrohung ist, will ich an dieser Stelle nicht erörtern. Aber von genannten Konflikten spürt man abgesehen von den Sicherheitskontrollen im modernen Tel Aviv so gut wie nichts; Jugendliche spielen Beachvolleyball, Rentner verabreden sich zum Kaffee-Tratsch.
Müde im Hostel zurück genehmigte ich mir noch ein israelisches Bier und einen Whiskey mit gerade erst kennen gelernten Schweizern. Ich hätte nicht gedacht, dass es so leicht ist neue Freunde zu finden. Am nächsten Tag wollten wir gemeinsam nach Jerusalem fahren, auch damit mich mein Cousin diesmal ausführlich herumführen kann – weit gefehlt.
Der schrecklichste Tag meines Lebens
Nun, was kann denn auf einer Reise Schreckliches passieren? Man kann beklaut werden, sodass der Reisepass weg ist und man feststeckt. Nope. Man kann Fieber bekommen und ist zu nichts in der Lage. Ebenfalls nein. Was mir passierte, war schlimmer. Als ich am Donnerstagmorgen aufwachte, fühlte ich mich wie gelähmt. Mir war schlecht und mein Magen rumorte. (Weitere Details möchte ich euch ersparen.) Am letzten Abend habe ich mich noch gut gefühlt und bin voller Vorfreude auf den nächsten Tag eingeschlafen. Mir gingen viele Gedanken durch den Kopf, auch wenn dieser glühte. Fieber auch noch? Habe ich etwas Falsches gegessen? (Wobei mir anfangs nicht einmal mehr das Wort „Lebensmittelvergiftung“ in den Sinn kam, so verwirrt wie ich war.) Ist das Leitungswasser Schuld? Oder doch der Whiskey? Komme ich nicht mit der Temperatur zurecht?
Was die Gründe auch immer waren (ich vermute stark eine Lebensmittelvergiftung), musste ich meinem Cousin und den Schweizer Kollegen absagen – leider. Erstgenannter kam dann glücklicherweise nach Tel Aviv, es gab noch unendlich viel zu sehen. Unter anderem wollte er mir ein Restaurant zeigen, bei dem die Bedienung einem den Tisch randvoll mit Essen stellt. Wir besuchten dieses Restaurant tatsächlich (besser gesagt: ich schleppte mir dorthin), aber ich bekam keinen Bissen hinunter und mir wurde noch mehr schlecht, dabei sah alles so lecker aus. Wie schade… Und sonst war ich zu nichts in der Lage, ich hing nur noch rum, alles Laufen, Sprechen, in der Sonne sein war einfach viel zu viel für mich. Also zurück ins Hostel und den restlichen Tag voll Qualen noch irgendwie zu Ende gebracht. Eine Hostel-Mitarbeiterin erfuhr abends noch von meiner Vergiftung und beglückwünschte mich zuerst ironisch, da ich der erste aus dem Hostel sei, dem so etwas passierte.Danach kümmerte sie sich glücklicherweise rührend um um.
Rückreise wie ein Opa
Eigentlich wollte ich morgens früh zum Bahnhof, der mich zum Flughafen führt, laufen, aber daran war nicht zu denken. Jeder Schritt war zu viel für mich, ich fühlte mich wie ein uralter Opa. Also bestellte ich mir ein Taxi, dessen mehr schlecht als recht Englisch sprechender Fahrer mich zum Flughafen Terminal 3 brachte. Verwirrung stiftete, dass dort auf der Anzeige wiederum Terminal 1 zu lesen war. Gut, irgendwie lief dann doch alles glatt.
Die Sicherheitskontrollen waren verständlicherweise scharf. Ob ich mit jemandem gereist sei? Ja. Wie er heiße? Scott Hough. Ob er auch Deutscher sei? Nein, Amerikaner. Ob die Dinge in meinem Rucksack alles mein Besitz sei? Ja. Ob ich nicht etwas von Mr. Hough mitgenommen habe? Nein. (Das war eine Lüge, aber ich weiß nicht, was sie gemacht hätten, wenn ich die Frage bejaht hätte.) Warum ich nach Ungarn fliege? Ich arbeite dort. Ob mein Rucksack nicht zu klein für fünf Tage sei? Es geht, aber ich wollte Geld sparen. Diese Fragen zu beantworten, gut und schön. Aber in meinem Zustand war es eine Qual, ich musste mich höllisch konzentrieren.
Gefühlte 1000 Frage und Sicherheitskontrollen später folge die nächste Hiobsbotschaft: Der Flug nach Budapest sei verspätet. Statt um 11:20 ging der Flug um 13:00. Wunderbar!, dachte ich. Dennoch war ich zu schwach, um mich aufzuregen. Also noch Postkarten verschickt, durch Souvenirläden gestöbert und – mir fiel ein, dass ich schon aufgrund meiner Lebensmittelvergiftung mehr als einen ganzen Tag nichts gegessen hatte. Nur was soll ich essen, ohne dass alles hochkommt? Das war die Preisfrage. Ich entschied mich für einen grünen Salat mit Mayonnaise-Dressing (wenigstens ein Bestandteil ungesund, da ich mich nicht an die unglaublich lecker aussehenden Burger traute). Wie es schmeckte? Unbeschreiblich. Himmlisch. Dieses Geschmackserlebnis war unvergleichlich. Und danach ging es mir immer noch gut. Ich fühlte mich gestärkt und den Umständen entsprechend fit – gar nicht mehr wie ein Großvater. Wow, das Leben kam in mich zurück.
Beim Rückflug Richtung Europa unterhielt ich mich mit einem älteren Herrn mit Kippa. Er war wie alle Israelis bzw. Juden, die ich getroffen hatte, sehr offen und freundlich. Es war außerdem schön das vertraute Ungarisch um mich herum zu hören. Die gesamte Rückfahrt lies ich einfach irgendwie über mich ergehen. Besonders gut wie vorher nach dem Salat fühlte ich mich nicht mehr. Eigentlich fühlte ich nichts, war gleichgültig. Aber ein großes Ziel hatte ich: Ich wollte nach Hause! Flugzeug, Bus, Metro, Zug, Bus, Fuß. Dann war ich endlich daheim, in diesem Moment fühlte es sich wirklich wie eine richtig vertraute wunderbare Heimat an.
Zusammenfassend
Ich habe viel in Israel gesehen, davon vieles interessant gefunden, aber nicht alles verstanden. Es war super meinen Cousin wieder zu sehen, mit Scott zu reisen und einen Teil davon alleine zu verbringen. Schrecklich war Donnerstag, der am besten so schnell wie möglich vorbei gehen sollte.
Was ich lernte: Sei vorsichtig mit Essen und Trinken in fremden Ländern!
Und: Zu Hause ist es immer noch am Schönsten.
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