Alles begann mit einer Email. Ob ich nicht Lust hätte Juror bei „Jugend debattiert international“ zu sein, fragte die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen. Na klar, dachte ich. Was mich dabei allerdings erwartete, davon hatte ich keine Ahnung.
Bei „Jugend debattiert international“ (JDI) geht es darum, dass Jugendliche aus zahlreichen unterschiedlichen Ländern Themen auf Deutsch diskutieren. Es werden zwei Pro- und zwei Contra-Positionen ausgelost, man vertritt also nicht unbedingt seine eigene Meinung. Die Jury während der Diskussion die Debattantinnen und Debattanten nach den Kriterien Sachkenntnis, Ausdrucksfähigkeit, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft bewerten. Der kleinste Rahmen ist ein Regionalfinale, der größte das Internationale Finale.
Im Dezember 2012 fand die Jurorenschulung statt, bei der sich eine bunte Truppe aus Lehrerinnen und Lehrern, Alumni des Wettbewerbs und eben „kulturweit“-Freiwillige zusammenfand, um Jurieren zu lernen. Nach ausführlicher Einführung und Fragerunde sollten einige der Teilnehmer eine Beispiel-Debatte zum Thema „Sollten Energiegetränke in Ungarn erst ab 18 Jahren erlaubt sein?“ führen. Ich fragte mich zunächst: Hä, was sind eigentlich Energiegetränke? Achso, es sind Energydrinks gemeint! Interessant, dass hier die Rede von „Energiegetränken“ ist, in Deutschland benutzt man so gut wie überall den englischen Begriff. Eine „Reinigung“ der deutschen Sprache vor Anglizismen? Man weiß es nicht…
Als Juror heißt es, der Debatte zuzuhören, sie individuell zu bewerten und schließlich ein Statement über die Leistung von allen, aber auch der einzelnen Debattantinnen und Debattanten abzugeben. Ich kann nur sagen: Ganz schön anspruchsvoll!
Einmal Südungarn, bitte!
Dreimal konnte ich meine Jurierfähigkeiten beweisen. Zuerst ging es im März diesen Jahres nach Pécs (Südungarn) zum Regionalfinale für Schulen aus Pécs und Baja. Meine Aufgabe mit zwei anderen Jurymitgliedern: Aus acht Teilnehmern mache vier. Bei den Streitfragen ging es um die Haltung exotischer Tierarten in Zoos ebenso wie Internetzensur, Themen, auf die ich mich schon gut vorbereiten musste.
Dieser Job in Pécs hatte den angenehmen Nebeneffekt, dass ich mich mit anderen kulturweit-Freiwilligen ebenso wie EFD (Europäischer Freiwilligendienst)-Freiwilligen treffen konnte. Besonders weil auch drei von den letztgenannten aus meiner Heimatstadt Ravensburg kommen. Also verbrachten wir einen schönen Abend in einer alten Fabrikhalle, die zur Disko umgebaut wurde. Viele solch tolle Ideen werden in Ungarn umgesetzt. gefällt mir!
Außer alten Fabrikhallen ließ ich mir es auch nicht nehmen mir die restliche Stadt Pécs anzusehen. Pécs ist mit ca. 160.000 Einwohnern die fünftgrößte ungarische Stadt. Die Menschen sagen aber, Pécs sei die zweitschönste (nach Budapest). Und das kann ich nur bestätigen. Die Innenstadt ist voll mit alten Gemäuern, besonders bemerkenswert ist eine Kirche, die früher mal Moschee war und auf dem Dach als Zeichen der islamisch-christlichen Versöhnung ein Kreuz und eine Sicher hat. Was mir noch an Pécs gefällt ist – was im sonstigen Ungarn eher selten auffindbar ist – dass es doch recht bergig ist. Die Innenstadt ist praktisch in einem „Tal“, wobei auf der einen Seite Wohngegenden gelegen sind und auf der anderen Seite ein Berg in die Höhe ragt.
Es wird spannender
Nach den guten Erfahrungen in Pécs wollte ich unbedingt wieder einmal als Juror eingesetzt werden. Gesagt, getan: Ich wurde zum Landeshalbfinale im April ins Goethe-Institut Budapest eingeladen. Als klar wurde, dass noch ein Mann fürs Landesfinale, ebenfalls im April, gebraucht wurde, konnte ich auch nicht nein sagen.
Im Halbfinale kehrte die Frage mit den Energiegetränken (s.o.) wieder. Dennoch war es nicht so komisch für mich wie am Anfang, ich hatte mich schon an den deutschen Begriff gewöhnt. Ich merkte, wie das Bewerten der Einzelnen schon schwieriger wurde, da sie von der Debattierleistung näher beieinander lagen.
Brisante Diskussion
Das Landesfinale war natürlich schon ein noch bemerkenswerteres Ereignis mit großem Medieninteresse, es waren der Vorsitzende der Deutsch-Ungarischen Parlamentariergruppe, ein Vertreter der deutschen Botschaft Budapest und viele andere wichtige Leute ins Goethe-Institut eingeladen. Nicht überraschend stieg auch meine Aufregung, wobei ich immerhin schon an das Jurieren von den letzten Malen gewöhnt war. Die Frage der Finaldebatte war die folgende:
Soll in Ungarn die obligatorische Teilnahme an öffentlichen
Arbeitsprogrammen für Sozialhilfeempfänger abgeschafft werden?
Ich habe mich zunächst über diese Frage gewundert. Warum? Diese Frage ist politisch hochbrisant und wird kontrovers in der Öffentlichkeit diskutiert. Pikanterweise ist das Credo der national-konservativen Regierung unter Victor Orbán eigentlich: Die Ungarn sollten die Regierungspolitik akzeptieren und besser nicht darüber nachdenken. Aber immerhin, es wurde ja ja auch die Gegenposition zur Frage diskutiert.
(Wer sich für die Diskussion über die Arbeitsprogramme sowie ungarische Politik im Allgemeinen interessiert, wird auf www.pesterlloyd.net fündig.)
Dieses Mal war es knapper denn je. Letztlich hat sich Dániel Krizsán aus Baja unter den vier Finalisten durchgesetzt. Gemeinsam mit der zweitplatzierten Szvetlána Glöckl vom Deutschen Nationalitätengymnasium in Budapest wird er für Ungarn beim Internationalen Finale des Wettbewerbs ins Rennen gehen.
Was ich davon mitgenommen habe? Auf jeden Fall habe ich interessante Mitjuroren und bemerkenswerte Debattanten kennen gelernt. Des Weiteren habe ich gelernt, Menschen „zerstückelt“, also in verschiedene Bereiche aufgeteilt, zuzuhören. Urkunden, Blumen und nette Geschenkchen gab es obendrauf.
Fazit: Tolle Sache.
Bildquelle JDI:
www.jugend-debattiert.eu
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