Der Tag startet mit Katzenjammer. Nein, nicht weil es mir an diesem 2. Januar so schlecht geht, sondern es ziehen in Nikosia, der geteilten zypriotischen Hauptstadt, ganz viele Katzen um die Häuser. Und jammern, betteln offenbar um Essen – obwohl sie eigentlich wohlgenährt aussehen.
Mein Bruder und ich haben uns für unsere zweite gemeinsame Zypernreise vorgenommen, den Norden der geteilten Insel zu erkunden. Der ist ärmer als der Süden, die Menschen von der starken Inflation der Türkischen Lira betroffen, habe ich im Vorfeld erfahren. Aber die Leute jammern nicht, wie die Katzen am Morgen. Sie wissen sich zu helfen – so zumindest mein Eindruck.
Traumhaftes Wetter im Januar
Ich bin an diesem 2. Januar zu müde zum Aufstehen zunächst, gehe dann aber hinaus in den Innenhof meiner Unterkunft und meditiere. Und die Sonne kommt langsam raus, scheint in den Hof. Dieser ist schön gestaltet, unser Host Ahmet ist Maler und Künstler und hat sein Elternhaus zum Airbnb umgebaut. Gäste speisen auf Glastischen, unter den Glasflächen ist abstrakte Kunst zu sehen.
Es ist einfach schön, am 2. Januar draußen zu sitzen und zu meditieren. Das wäre unvorstellbar in Mitteleuropa. Dann verlasse ich das Haus und gehe ein bisschen spazieren. Das Erste, was mir auffällt: Alles sieht so heruntergekommen aus. Es liegt Müll herum, Restaurants und Geschäftsräume wurden offensichtlich vor längerer Zeit geschlossen, aber kein Nachfolger gefunden.
Griechische Flaggen, türkische Flaggen
Wahrscheinlich ist schlicht kein Geld da, um etwas aus diesen Gebäuden zu machen. „Armut ist der beste Denkmalschutz“, heißt es. Aber der zweite Blick lohnt sich. Das, was ich für Elektroschrott gehalten hatte, sind wohl alte Waschmaschinen, die repariert werden sollen. Und es gibt auch außerhalb der Touristenmeile in Nikosia nette Aufenthaltsorte, etwa einen Park in der Nähe meiner Unterkunft. Hier lebt sogar einen Vogelstrauß in einem Käfig. Kurioserweise steht daneben eine Statue von einem Vogelstrauß. Diese Tiere gefallen den Einwohnern von Nord-Nikosia offensichtlich.
Aber warum ist Zypern und deren Hauptstadt überhaupt geteilt? Seit Jahrhunderten ist die Insel von griechisch- und türkischsprachigen Zyprioten bewohnt, die friedlich zusammenlebten und, wie ich erfuhr, deren Dialekte einen ähnlichen Klang haben.
Die Insel war aber auch immer wieder Zankapfel ausländischer Mächte. 1974 gab es einen Putsch, die Putschisten forderten einen Anschluss der Insel an Griechenland. Daraufhin besetzte die Türkei den Norden der Insel, gründete die sogenannte „Türkische Republik Nordzypern“. Dieser Staat ist international nicht anerkannt. Faktisch gibt es aber nun zwei Regierungen und zwei Teile der Insel. Die griechischsprachigen Zyprioten mussten nach dem Waffenstillstand in den Süden umsiedeln, die türkischsprachigen Zyprioten in den Norden.
Und so wehen im Norden der Hauptstadt weit und breit Flaggen der Türkei und von Nordzypern – letztere sieht der türkischen Fahne sehr ähnlich. Auch der türkische Präsident Recep Erdogan ist im Norden offenbar beliebt, glaubt man etwa dem überlebensgroßen Plakat des Mannes, das in unserer Nachbarschaft in Nikosia hängt.
Ein Brot for free
Ich bin aber in diesem Januar nicht unbedingt nach Zypern gereist, um mich mit der schwierigen Politik und Geschichte auseinanderzusetzen, sondern vielmehr, um Menschen zu treffen und Neues zu erleben. Und so habe ich neben dem riesigen Erdogan-Plakat eine Bäckerei entdeckt. Ich möchte ein Pide kaufen, habe aber keine Türkischen Liras dabei, nur Euros. Obwohl der stabile Euro im Norden beliebt ist, ist es dem Bäcker zu kompliziert, das Rückgeld auszurechnen. Er gibt mir das Brot einfach kostenlos.
Das ist schon einmal ein guter Start in Nordzypern. In den Tagen darauf werden mein Bruder und ich Städte und Sehenswürdigkeiten im Norden mit dem Mietwagen erkunden. Fortsetzung folgt.
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