Meine Reise nach Amsterdam war (fast) perfekt

Eine äußerst spontane Reise nach Amsterdam war es, so viel kann man sagen. Fast wäre ich daheim geblieben, fast hätte das Flugzeug gar nicht abheben dürfen, fast wäre ich viele Euronen wegen Übergepäck losgeworden… aber nur fast.

Der Wochenend-Trip war bereits im Juni, und doch erinnere ich mich (fast) so daran, als sei es gestern gewesen. Ich reiste nach Amsterdam, weil mein amerikanischer Freund Scott mit Frau und Kind auf Besuch in Europa war, und ich ihn endlich wieder sehen wollte. Ich zögerte damit, die Reise zu buchen, allerdings bis zuletzt, war mir doch schon klar, dass es anstrengend werden würde, egal ob mit Flugzeug, Bus oder Zug.

Am letzten Tag vor Schließung der DisneyLands

Das letzte Mal, dass wir uns trafen, war im März 2020 in Los Angeles, als auf einmal die Restaurants nur noch “to go”-Mahlzeiten anboten, der Mitarbeiter in meinem Hostel in Santa Monica Plastik-Handschuhe zu tragen anfing und ich am letzten Tag vor der Schließung des DisneyLands noch Mickey Mouse einen Besuch abstattete. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ein besonderer Tag mit viel Luft Anhalten gegen Corona im DisneyLand in Kalifornien im März 2020.

Im Rahmen meiner Bachelorarbeit, äh, entschuldigt, die Floskel habe ich einfach zu oft gehört, im Rahmen meines Volontariats bei Schwäbisch Media durchlaufe ich unterschiedliche Stationen und bin gerade in der Lokalredaktion in Ehingen eingesetzt. Also fuhr ich von Ehingen nach Ballrechten-Dottingen bei Freiburg, um einen Tag im mobilen Home Office bei meiner Oma zu arbeiten und am Abend darauf von Basel nach Amsterdam zu fliegen.

Eine Dame mit Russisch beeindrucken

Schon früh am Tag meldete mir EasyJet, dass sich mein Abflug um rund zwei Stunden verspäten würde. Das kam mir naturgemäß ungelegen, würde ich doch statt gegen 21 Uhr um 23 Uhr abheben und in Amsterdam nach Mitternacht landen. Das wäre nicht nur für mich, sondern auch für meinen Gastgeber, Scotts Schwager, ein Ärgernis. Aber immerhin hatte ich dadurch noch Zeit, mich in Staufen mit meinem russischen Tandem-Partner aus der Uni-Zeit, Konstantin, in Ruhe für ein “Catch up” zu treffen und ihn sogar mit meinen Eltern und meiner Oma bekannt zu machen.

Konstantin und ich spazierten durch Staufen, und ich wollte noch meinem russischem Gastgeber Maxim Bescheid geben, dass es bei mir später wird. Also rief ich ihn an, wir besprachen das Wichtigste auf Englisch. Konstantin wunderte sich darüber, dass ich Maxim “nichts Patriotischeres” sagte, also wieso wir nicht Russisch sprachen. Ich antwortete, da wir uns über den nicht russisch-sprachigen Scott kennen gelernt hatten und auch damals in Moskau meist Zeit zu dritt verbrachten, hatten wir uns angewöhnt, sich auf Englisch zu unterhalten.

Ich habe schon länger nicht mehr mit einem Muttersprachler Russisch gesprochen, aber ich nahm die Herausforderung an, und bei einem zweiten Telefonat mit Maxim überraschte ich ihn mit Russisch. Er wirkte verdutzt, hatte offensichtlich vergessen, dass ich Russisch spreche. Später erzählte er mir, er vermutete, ich versuche eine Frau zu beeindrucken, indem ich auf Russisch telefoniere.

Probleme bei der Schweizer Flugsicherung

Meine Eltern brachten mich zum Flughafen. Ich hatte ein mulmiges Gefühl. Stimmten die Angaben von EasyJet wirklich, dass sich mein Flug verspätet? Von Personalmangel war am Flughafen Basel überhaupt nichts zu merken, durch die Sicherheitskontrollen kam ich gewohnt zügig. Am Gate angekommen, sah ich, dass alle anderen Flüge auch verspätet waren. Das lag daran, dass eine technische Störung für Probleme bei der Schweizer Flugsicherung sorgte. Starts und Landungen waren für rund zwei Stunden ausgesetzt.

Wird das Flugzeug heute noch abheben? Photo by Annika Ashley on Unsplash.

Was mich beunruhigte: Bei allen anderen Flügen wurde eine alternative, verspätete Abflugzeit angezeigt, nur nicht bei meinem Flug nach Amsterdam. Gespräche mit anderen Fluggästen halfen nicht weiter, also hieß es abwarten und Flughafen-Leitungswasser trinken.

Übergepäck ist teuer

Nach einer Stunde hörten wir die gute Nachricht: Boarding ist gegen halb 11. Gesagt, getan, nur fiel mir plötzlich auf, dass die Gepäckstücke der anderen Passagiere fast ausnahmslos kleiner waren als mein Koffer. Ich war gewohnt, meinen kleinen Koffer als Handgepäck mitzunehmen. Kann es sein, dass EasyJet die Gepäckrichtlinien verschärft hat?

In der Schlange zum Boarding schauderte es mir, denn vor mir zog das Bodenpersonal Passagiere mit großem Gepäck raus. Sie müssen für das Übergepäck zahlen. Würde auch mir dieses Schicksal ereilen? Ich versuchte, mich schnell am Bodenpersonal vorbeizumogeln, dass sie gar keinen genaueren Blick auf meinen Koffer werfen konnten. Das war leichter gesagt als getan, weil sich eine Mitarbeiterin speziell auf die Gepäckgrößen konzentrierte.

Ein Liegeplatz ganz ohne Business Class

Also ich an der Reihe war beim Kontrollieren des Tickets und Ausweises, muss die Dame von einem anderen Passagier abgelenkt worden sein, denn sie zog mich nicht raus. Schnell machte ich mich auf den Weg zum Flugzeug. Ich meinte noch eine Stimme zu hören, die mir hinterherrief, doch ich war selbstverständlich nicht scharf darauf, extra zu blechen.

Geschafft! Schwein gehabt. Im Flugzeug erwartete mich gleich die nächste Überraschung. Alle Reihen waren voll besetzt – bis auf meine Reihe. Das hatte wahrscheinlich damit zu tun, dass ich meinen Flug so spät gebucht hatte und damit mein Sitzplatz als einer der Letzten automatisch vom System zugewiesen wurde. Das war angenehm, so konnte ich während des Fluges als einziger Passagier liegen, und all das ohne Business Class.

Eine unangenehme Überraschung

Die zweite Überraschung war allerdings weniger angenehm. Kaum war das Boarding beendet, kam der niederländische Flugkapitän aus dem Cockpit heraus und sprach zu den Fluggästen. Es musste etwas nicht stimmen. Er erzählte, wegen der Verspätung musste mit der Schweizerischen Flugsicherung eine Sonder-Starterlaubnis ausgehandelt werden. Diese war für 0.15 Uhr, eine Viertelstunde nach Schließung des Flughafens. Jetzt verstand ich auch, warum so lange keine Abflug-Uhrzeit angezeigt worden war. Das war zu jener Zeit, als nicht klar war, ob der Flieger überhaupt abheben würde.

Jetzt war gegen Viertel nach 11, also noch rund eine Stunde bis zum Start. Der Kapitän sagte, er habe einen früheren Start angefragt, aber noch keine Antwort von der Behörde erhalten. Er hoffe, wir können bald abheben.

Alle zum Start bereit, außer die Flugsicherung

Es war paradox. Alle sind bereit zum Start, nur nicht die Schweizerische Flugsicherung. Ich verstehe nicht ganz, was der Sinn dahinter sein soll, zumal ein früherer Start in Sachen Lärmbelästigung weniger problematisch für die Anwohner wäre.

Jedenfalls warteten wir und warteten. Dann eine Nachricht vom Kapitän: Wir dürfen um 23.59 Uhr abheben. Na immerhin. Die Flugbegleiter versuchten irgendwie die Zeit zu überbrücken: Schon mal die Sicherheitsanweisungen geben. Der Kapitän fuhr langsam zur Startbahn… und dann war es endlich so weit, wir starteten!

Was für eine Reise

Der Flug war entspannt, in Amsterdam lief alles unproblematisch. Meinen Gastgeber musste ich wie besprochen aus dem Schlaf klingeln. Gegen Viertel nach 2 lag ich dann in einem improvisierten Gästebett Amsterdam-Süd. Was für eine Reise, was für ein Erlebnis… eigentlich ist es doch so fast schöner, als wenn alles perfekt klappt. Oder: Wie perfekt kann eigentlich eine so unperfekte Reise sein?

Traumhaft: Der Blick von der Dachterasse meines Gastgebers in Amsterdam-Süd.

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